(Erweiterter) Strafrechtsschutz innerhalb der Berufshaftpflicht (Teil 1)
Teil 1
Wann greift innerhalb der Berufshaftpflichtversicherung der Strafrechtsschutz?
Welche Bedeutung hat der „Erweiterte“ Strafrechtsschutz?
Neben zivilrechtlichen Haftpflichtansprüchen, die nicht dem Strafrecht unterliegen, und über jede Berufshaftpflichtversicherung abgedeckt werden, können sich parallel auch strafrechtliche Vorwürfe ergeben, die im öffentlichen Interesse durch einen Staatsanwalt verfolgt werden. Dies ist dann der Fall, wenn es in der Anzeige um den Verdacht strafrechtlicher Vergehen geht; soll heißen, es liegt der Verdacht einer Straftat oder zumindest einer sog. minderwerten Straftat (Vergehen) vor.
Die Staatsanwaltschaft muss diesem Verdacht nachgehen, und wird daher zunächst ein Ermittlungsverfahren einleiten. Sofern dieses Verfahren zum Schluss kommt, dass sich der strafrechtliche Vorwurf bzw. Verdacht erhärtet hat, wird ein gerichtliches Hauptverfahren eingeleitet. Dieses endet dann entweder mit einem Freispruch, einer Verurteilung oder der Einstellung des Verfahrens.
Schadenbeispiele:
Ein Heilpraktiker erkennt trotz Anamnese wegen eines völlig asymptomatischem Beschwerdebildes nicht, dass bei einem älteren Patienten eine akute Appendizitis vorliegt. Kurz danach tritt eine Perforation ein und der Patient wird notfallmäßig stationär eingewiesen. Wegen unglücklicher Umstände verstirbt der Patient bei der notwendigen OP. Der Ehegatte erstattet Strafanzeige gegen dien Heilpraktiker. Die Staatsanwaltschaft ermittelt daraufhin strafrechtlich gegen den Heilpraktiker.
In eigener Praxis erstellt ein Psychologe ein Gutachten über eine von ihm behandelte Patientin. Aufgrund des Inhalts des Gutachtens wird die psychiatrische Einweisung der Patientin veranlasst. In einem späteren Einweisungsverfahren kommen die Gutachter des Gerichts zu einer anderen Bewertung und die Patientin wird rehabilitiert. Sie stellt nun beim Staatsanwalt eine Strafanzeige wegen Freiheitsentziehung, verursacht durch das grob fahrlässig fehlerhafte Gutachten des Psychologen.
Hier kann zunächst der „allgemeine“ Strafrechtsschutz greifen, der jeder Haftpflichtversicherung gemäß der „Allgemeine Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherungversicherung „(AHB) zugrundliegt.
Darin ist unter Ziffer 5.3 zu lesen:
„Wird in einem Strafverfahren wegen eines Schadensereignisses, das einen unter den Versicherungsschutz fallenden Haftpflichtanspruch zur Folge haben kann, die Bestellung eines Verteidigers für den Versicherungsnehmer von dem Versicherer gewünscht oder genehmigt, so trägt der Versicherer die gebührenordnungsmäßigen oder die mit ihm besonders vereinbarten höheren Kosten des Verteidigers.“
Diese Formulierung scheint für den Laien zunächst nicht zu beanstanden sein, beinhaltet aber mehrere unmittelbare und mittelbare Lücken. Diese Lücken können durch die „Besondere Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Berufs-haftpflichtversicherung“ (BBR) geschlossen werden, die die AHB im Deckungs-umfang erweitern. Dies jedoch nur unter der Voraussetzung, dass der sog. „Erweiterte Strafrechtsschutz“ in den BBR als mitversichert gilt. |
Der Erweiterte Strafrechtsschutz erweitert kostenfrei den in den AHB bereits gewährten „Standard“ Strafrechtsschutz dadurch, als:
Neben den Strafverteidigungskosten auch die
- Gerichtskosten (dazu zählen auch Gutachterkosten) übernommen werden und die
- Übernahme der Strafverteidigerkosten nicht mehr im Ermessen des Versicherers liegt. Soll heißen, er muss die Kosten übernehmen, sofern es sich um einen bedingungsgemäßen Schadenfall der Berufshaftpflichtversicherung handelt.
Darüber hinaus sehen gute Vertragsbedingungen einiger Versicherer vor, dass die Aufwendungen der Prozesskosten auch dann nicht gekürzt werden, wenn die gesamten Kosten, einschließlich der Schadenersatzzahlungen an den Kläger, die Versicherungssumme übersteigen.
Auch darauf ist zu achten:
Gute Versicherungsbedingungen übernehmen die Kosten der Strafverteidigung und Gerichtskosten im gesamten Ermittlungs- und Hauptverfahren ohne Anrechnung auf die Versicherungssumme, sofern es sich um ein Strafverfahren vor einem inländischen Gericht handelt. Darüber hinaus sollte für den Erweiterten Strafrechtsschutz kein Selbstbehalt erhoben werden.
Sofern in den Versicherungsbedingungen explizit auch die Kostenübernahme von Sachverständigenkosten aufgenommen wurde, ist dies überflüssig, da diese zu den Gerichtskosten zählen.
Da es sich hierbei um ein existenzgefährdendes Risiko handelt, muss jeder Heil(neben)berufler darauf bedacht sein, die vorgenannten Kosten einer strafrechtlichen Verteidigung möglichst umfangreich zu versichern.
Es handelt sich um keine generelle Spezial-Straf-Rechtsschutzversicherung, wie sie von Rechtsschutzversicherungen mehr oder weniger vorteilhaft angeboten werden. Gedeckt sind ausschließlich Strafverfahrenskosten wegen eines strafrechtlichen Ereignisses, das einen unter die Berufshaftpflichtversicherung fallenden Haftpflichtanspruch zur Folge haben kann. Soll heißen, im Rahmen der Berufshaftpflichtversicherung eine Deckung gegeben ist.
Generell ausgeschlossen vom Versicherungsschutz bleiben Geldbußen, Geldstrafen und Strafvollstreckungskosten.
Wo die Unterschiede zu einer Spezial-Straf-Rechtsschutzversicherung liegen, die in Form einer separaten Rechtsschutzversicherung erhältlich ist, beschreibe ich im 2. Teil meiner Ausführungen [hier …]
Lothar J. Riesterer
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